Mit der Frage der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Bereich der umgestalteten und sanierten Hauptstraße zwischen "OCHSEN" und "KRONE" (d.h. Einmündungen Bühlweg und Burgweg) beschäftigte den Gemeinderat bereits schon im Planungsstadium zur Hauptstraßenneugestaltung vor etlichen Jahren.
Im Vorfeld der Neugestaltung des Ortskerns hatte der Gemeinderat auf
der Basis der Ergebnisse einer im Jahr 2014 umfassend durchgeführten
Haushaltsbefragung Leitziele der Gemeindeentwicklung erstellt.
Bezogen auf den Verkehr Streckenabschnitt im Ortskern sollten diese erreicht werden durch Reduzierung der KFZ-Frequenz, Vitalisierung des Ortskerns und Beruhigung des KFZ-Verkehrs.
Damals war man sich aber einig, diese Diskussion zurück zu stellen, bis die Baumaßnahmen und damit die Straßenneugestaltung abgeschlossen ist.
Nunmehr - im Spätjahr 2022 - wird diese Diskussion aufgenommen.
In der Einwohnerversammlung am 28. November 2022 und in der öffentlichen Gemeinderatssitzung am 12. Dezember 2022 wurde das Thema ausführlich diskutiert.
Nahezu jede Person ist auch Verkehrsteilnehmer und beurteilt und bewertet Situationen aus seiner jeweiligen individuellen Perspektive. Um aber nicht lediglich auf subjektive Erfahrungswerte Einzelner zurückgreifen zu müssen, sondern auf belastbare objektive Datengrundlagen aufbauen zu können, wurde eine umfassende Langzeitmessung des Verkehrs in Auftrag gegeben. Die Messungen wurden vom 2. bis 10. Juli 2022 durch das Institut für Verkehr und Infrastruktur an der Hochschule Karlsruhe durchgeführt.
Die Untersuchungsergebnisse wurden im Hinblick auf die ortsspezifischen Fragestellungen ausgewertet und dargestellt (hier finden nur alle "vollen" Tage, d. 2. bis 9. Juli Berücksichtigung, der stundenweise batteriebedingte Ausfall einer Zählstelle wurde "herausgerechnet"):
- Verkehrsaufkommen
- Durchschnittsgeschwindigkeit Tag/Nacht
- V 85 (Geschwindigkeit, die von 85% der Fahrzeuge unterschritten wird) Tag/Nacht
- Durchschnittt der jeweils gemessenen Maximalgeschwindigkeiten Tag/Nacht
- Spitzenwerte ("Ausreißer")
Die Anzahl der Kraftfahrzeuge, die die Ortsdurchfahrt von Ortenberg in diesem Bereich nutzten lag vor der Fertigstellung der Teil-Ortsumfahrung im Juni 2017 bei > 20.000 pro Tag. Drei Monate nach Fertigstellung der Teilortsumfahrung wurde ein Tageszählung durchgeführt, eine weitere ein Jahr nach Fertigstellung (Juni 2018). Alle Zählungen fanden zu einem Zeitpunkt statt, an dem es auf der gesamten Strecke (Offenburg/Gengenbach) keine baustellenbedingten Sperrungen gab.
Schließlich wurde im Rahmen der Langzeitmessung vom 2. bis 10. Juli 2022 an vier Messtellen das Verkehrsaufkommen erneut aufgezeichnet.
Das KFZ-Aufkommen hat sich danach auf weniger als 30 % des Aufkommens vor Fertigstellung der Teil-Umfahrung reduziert.
Diese wird zumindest unterstützt durch
-Ansiedelung von
Einzelhandel/Gastronomie/Gesundheitsdienstleister
- „Attraktionen“ Hühnergarten,
Narrenmuseum
- Aufenthaltsqualität ( Nepomukbrunnen ,
Brunnenschacht/Mittelpunkt, Sitz- und Ruhegelegenheiten, Bäume, Breitere
Fußgängerbereiche)
- Veranstaltungen (z.B. Ortenberg trödelt, Feierabendmarkt) und Events
Zur Regulierung des ruhenden Verkehrs und zur Legalisierung des Parkens auf Gehwegen wird eine Parkraumbewirtschaftungszone eingeführt. Dort ist das Parken auf Gehwegen, jedoch ausschließlich innerhalb der markierten Bereiche und werktags zwischen 8 und 18 Uhr nur für max. 1 Stunde zulässig.
Die Überwachung durch einen Vollzugsdienst wird eingeführt.
Anstelle der "Konventionellen Methode" im Wege von angeordneten Verboten konnte bereits jetzt festgestellt werden, dass infolge baulicher Maßnahmen das Geschwindigkeitsniveau deutlich unter der dem rechtlichen Zulässigen liegt. Auch der deutliche Rückgang der Unfallzahlen ist Indiz für eine signifikante "Beruhigung". Elemente hierfür sind:
- Breitere Gehwege
- Verringerung der Fahrbahnbreite
- Wechselnder Fahrbahnbelag
- Bushaltestellen auf der Fahrbahn
- Radfahrstreifen
- Möblierung/Bepflanzung/mobiles Grün
Festgestellt werden situationsbedingt angepasste Geschwindigkiten.
So wurden folgende Durchschnitts-Geschwindigkeiten gemessen:
Die sog. v85-Geschwindigkeit ist die wichtigste Bewertungsgröße zur Dokumentation des Fahrverhaltens, da sie das vorherrschende Geschwindigkeitsniveau aufzeigt. Dies ist diejenige Geschwindigkeit, die von 85 % der erfassten Fahrzeuge nicht überschritten wird.
Nicht nur die Durchschnittsgeschwindigkeiten sondern auch die V85 liegen danach - und insbesondere zu Zeiten in denen die Gehwege belebt sind und mehr Verkehr herrscht - deutlich unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und im Bereich der ansonsten in "30er-Bereichen" gefahrenen Geschwindigkeiten.
Zur direkten Gegenüberstellung einer 30er-Streckenbegrenzung (Offenbuger Straße, Bereich Schule) wurden die dortigen Messwerte in der Zeit der Beschränkung (werktags 7-17 Uhr) ausgewertet und jenen der Tageswerte im Bereich der Eissdiele (Hauptstraße 77, max. 50 km/h) gegenüber gestellt.
Deutlich zeigt sich, dass alleine die Verbotsbeschilderung kaum Wirkung entfaltet, dagegen die umgesetzten baulichen Maßnahmen trotz zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h bei allen ausgewerteten Kenngrößen zu deutlich reduziertem Fahrverhalten führt.
Die grundsätzlich mögliche Anordnung einer Tempo-30-Zone hätte zur Folge, dass
- die Vorfahrtsberechtigung auf der Hauptstraße wegfallen wird, d.h. an sämtlichen Straßeneinmündungen (Zufahrt Dorfplatz, Freudental, Farrengasse) die Rechts-vor-Links-Regel einzuführen ist (§ 45 Abs. 1 c StVO).Eine Ausnahme hiervon nicht ausgesprochen werden.
- Die bestehende Fußgänger-Ampelanlage beim "Fantasy" zu entfernen ist (auf § 45 Abs. 1 c StVO iVm. VwV-StVO zu § 45 Abs. 1 c, Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) 3.3.5 Lichtsignalanlagen sowie die RilSA 1.3).
Für Geschwindigkeitsregelungen gibt es ungeachtet näherer Prüfung grundsätzlich folgende Varianten:
Zur Streckengeschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h:
Anhand der vorliegenden Unfalllage und anderen objektiven Kriterien bezgl. der Verkehrssicherheit (keine schmalen Gehwege, bestehende Querungsmöglichkeiten, keine überhöhte Geschwindigkeiten etc.) lässt sich derzeit für uns eine Streckengeschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h nach § 45 Abs. 9 StVO nicht begründen; siehe Niederschrift aus der Verkehrsschau vom 21. Juli 2022).
Auch "Lärmschutz" ist kein Argument. Dies ist erst dann diskutabel, wenn die Verkehrsmenge oberhalb von 98.200 KFZ/Tag liegt. WIe oben ausgeführt hat sich die Verkehrsmenge aber auch wenige als 6.000 KFZ/Tag reduziert!
Diese Variante scheidet daher aus!
Denkbar wäre die "Einrichtung" einer "freiwilligen Zone Tempo 30". Die Geschwindigkeiten werden danach voraussichtlich nicht höher liegen als die im Rahmen der Messung im Juli 2022 ermittelten. Möglicherweise werden diese aufgrund der Beschilderung zurück gehen.
Die Verwaltung erwägt, im Gemeinderat zusätzlich zu den o.g. Varianten ("50" und "Zone 30") auch diese Variante in die Beratung und Diskussion einzubringen. Denkbar wäre auch, eine Testphase von z.B. 2 Jahren.
Dabei muss - im Unterschied zu jeder Privatperson, die berechtiterweise deren Individualinteressen vorträgt - der Gemeinderat eine Entscheidung unter Berücksichtigung, Abwägung und Gesamtwürdigung ALLER Interessen vorzunehmen.