Bahnhaltestelle in Ortenberg?

Die Möglichkeit der Einrichtung eines Bahnhalts ist seit vielen Jahren immer wieder Gegenstand der Beratungen. Bereits 2006 wurde aus der Mitte des Gemeinderates ein Antrag eingebracht und dieser am 19. Dezember 2011 mit der Verortung im Bereich der Brücke konkretisiert. Eine Aufnahme in das zeitgleich laufende Änderungsverfahren des Flächennutzungsplans wurde angesichts der durchaus berechtigten Anwohner-Bedenken seinerzeit zurück gestellt, denn man sah in der damals diskutierten Variante eine massive Verkehrsbelastung auf das Wohngebiet („Siedlung“) zukommen. Auch seitens der Verkehrsbehörden sah man keine realisierbare Möglichkeit zur Herstellung eines Haltepunktes. Generell wurde das Thema „Bahnhalt – jedoch evtl. an anderer Stelle - aber nicht aus den Augen verloren.

Zwar hat im Herbst 2019 der Bürgermeister mit Landesverkehrsminister Herrmann die Situation erörtert, dennoch teilte am 12. Februar 2021 das Verkehrsministerium überraschend mit, dass entgegen der bisherigen Argumentation nun die Einrichtung eines Haltepunktes möglich erscheine. Denn das Land Baden-Württemberg habe sich zum Ziel gesetzt, den öffentlichen Nahverkehr bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln. Ein wichtiger Beitrag dazu ist die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken und Bahnhaltepunkten.

Im Jahr 2021 wurden daher seitens der Gemeindeverwaltung mehrere Gespräche mit dem Landratsamt und dem Verkehrsministerium geführt. Seitens der Gemeindeverwaltung wurde die Verortung nördlich der neuen Brücke als weitere Haltepunktvariante ins Spiel gebracht. Diese Variante hätte gegenüber der bisher betrachteten die Vorteile, dass einerseits der Verkehr wie auch der Pendlerparkplatz außerhalb des Wohngebiets und auch der Bahnsteig selbst durch die Straßendämme vom Wohngebiet abgeschirmt platziert werden kann. Gleichzeitig könnte aber die bestehende Brücke als Schienenübergang genutzt werden. Der Sachstand wurde in der GR-Sitzung am 13. Dezember 2021 vorgetragen und am 14. November 2022 anknüpfend an die Bewertungsergebnisse vom 17. Oktober 2022 und 13. Dezember 2021 über das weitere Vorgehen Beschluss gefasst.

Der historische Bahnhof scheidet aus mehreren Gründen als Standort aus. Hier sprechen technische Argumente, aber vor allem die Tatsache, dass das Gelände schon seit Jahrzehnten in privater Hand befindet dagegen. 

Auf dieser Grundlage wurde beim Landratsamt als dem zuständige Aufgabenträgeer für den ÖPNV der Antrag auf Zuschuss für die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie für zwei Standorte eingereicht und in der Folge nach durchgeführter Ausschreibung die Fa. TTK (Transport Technologie Conuslt Karlsruhe GmbH) mit der Untersuchung der Machbarkeit für die Standorte „Nord“ (nördlich des Umfahrungs-Kreisels/Brücke Kreisstraße/L99) und „Süd“ (Höhe Parkplatz Fa. WESTIFORM ) beauftragt.

In der Gemeinderatssitzung am 23. Oktober 2023 stellten Stefanie Dörfler und Klaus Beck vom Landratsamt zusammen mit Niklas Mattern von der Fa. TTK das Ergebnis der Machbarkeitsuntersuchung vor:

- Untersuchungsgegenstand waren 2 Standorte, wobei der Standort „Nord“ auf 2 Varianten (Rampen und Aufzug) untersucht wurde,

- die technische Machbarkeit bei beiden untersuchten Standorten ist gegeben bei in etwa gleich hohen Investitionskosten (4,6 – 4,8 Mill EUR),

- beim Fahrgastpotential sind insgesamt die ermittelten Unterschiede im Erschließungspotenzial nicht groß genug, um eine eindeutige Empfehlung für einen der beiden Standorte auszusprechen,

- beide Standorte erreichen mit ihrem Fahrgastpotenzial einen Nutzen/Kosten-Index von größer als 1, die bewerteten Nutzen übersteigen danach die Kosten,

- beide Standorte erreichen auch bei gesamtwirtschaftlicher Bewertung einen Nutzen/Kosten-Index von größer als 1,

- beide Standorte sind daher positiv bewertet und die Umsetzung möglich,

- der Vergleich der Standorte führt zu keinem eindeutigen Vorzugsstandort,

- die Abwägung der Vor- und Nachteile muss im weiteren Verlauf auf Gemeindeebene erfolgen.

Nicht in die Betrachtung eingeflossen sind touristische Aspekte, was aber gerade im Fall Ortenberg mit der Jugendherberge auf dem Schloss mit a. 35.000 Übernachtungen p.a. und wöchentlicher Anreise vieler Schulklassen und Gruppen mit Bussen einen signifikanten zusätzlichen Nutzen mit sich bringen könnte.

Ebenfalls unbetrachtet sind die laufenden Betriebskosten, die bei Aufzugsvarianten höher sind als bei Rampen.

Stefanie Dörfler vom Landratsamt freute sich über das Ergebnis. Da die positiven volkswirtschaftlichen Effekte nun nachgewiesen sind, könne man von mindestens einer Förderung der Investitionskosten des Landes i.H.v. 75 % ausgehen. Allerdings wäre es auch denkbar, dass das Land selbst als Bauherr auftritt.

Zuvor ist allerdings noch eine Verfahrenshürde zu nehmen: Die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg müsse nun – unter Berücksichtigung der drei untersuchten neuen Haltestellen (Kirnbach, Gutach-Dorf und Ortenberg) die Fahrzeitentaktung auf der Strecke neu gestalten. Erst wenn der Nachweis erbracht ist, dass dies möglich ist, können die konkreten Schritte folgen. Dies wird im Frühjahr 2024 sein.  Das Landratsamt geht jedoch davon aus, dass diese fahrplantechnischen Anforderungen erfüllt werden, zumal in den nächsten Monaten auch auf eine neue, leistungsfähigere und stärker beschleunigenden, batteriegestützten und elektrisch angetrieben Züge umgestellt werden wird.

Der Gemeinderat nahm das Ergebnis der Machbarkeitsuntersuchung zur Kenntnis. Alle Fraktionen freuten sich über das Ergebnis.

Man habe nun ein Luxusproblem, nämlich zwei Standorte, die positiv bewertet sind, die aber jeweils Vorteile und Nachteile gegenüber dem anderen haben. Wenn es nach Abschluss der Bewertung durch die NVBW bei beiden Standorten bleibt, müssen wir abwägen und bewerten und uns dann für eine Variante entscheiden, oder aber das Land als Bauherr spricht sich für die eine oder andere Lösung aus.

Jedenfalls sei die Vorstellung, dass Ortenberg als ehemals wichtiger Eisenbahnort nach über 40 Jahren bald wieder einen Bahnhof haben könnte sehr inspirierend. Ortenberg wird noch mehr an Attraktivität gewinnen - für seine Einwohner, Gewerbetreibenden und seine Gäste. Besonders aber gesamtgesellschaftlich wird der Ausbau ausgelassener Bahnhaltepunkte ein Gewinn sein und man freut sich, dass dies die Landesregierung als eine wichtige Aufgabe erkannt hat, war man sich einig.

Die Präsentation für die Machbarkeitsuntersuchung erhalten Sie hier

Den Endbericht über die Machbarkeitsuntersuchung finden SIe hier.