Wie Funde und Besiedlungsspuren rund um den Ortenberger Schlossberg und den östlich und höher liegenden Keugeleskopf nahe legen, war der den Kinzigtaleingang beherrschende Bergsporn schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt.
Menschliche Knochenreste des vermutlich ältesten "Ortenbergers" aus der mittleren Steinzeit belegen, dass die Menschen damals hier zumindest vorübergehend Station gemacht haben. Weitere Funde wie ein Steinbeil aus der Jungsteinzeit untermauern diese These.
Einer der Relikte aus
der späten Jungsteinzeit ist auch der im Volksmund "Gluggelistein" oder "Bibelistein"
genannte, sagenumwobene Menhir, eine über dem Erdboden etwa 2 m hohe Steinsäule, nur wenige Meter oberhalb des Ortenberger
Schlosses. Errichtet wurde der "Bibelistein" vor etwa 4.000 Jahren von einem im
Oberrheingebiet ansässigen Volk. Über dessen Zweck kann heute nur
spekuliert werden - Gerichtsstein, Fürstengrab, Opferstätte, ...? Kann hierauf
der im Mittelalter als Synonym für die Burg gängige Begriff "Der
Stein zu Ortenberg" zu dem über das ganze Mittelalter die Leute der Ortenau "gehörten" zurückgeführt werden?
Der Menhir befindet sich inmitten
der Reben, ist aber vom Kammweg hinter dem Ortenberger Schloss aus gut zu
sehen, ein Hinweisschild am Wegesrand weist auf dieses außergewöhnliche
Monument hin.
Zweifelsfrei nachgewiesen wurde im Jahr 2006, dass eine alemannische Siedlung auf dem Keugeleskopf auf den Resten einer älteren Befestigungsanlage gründete, die der Spät-Hallstatt- (ca. 800 v. Chr.) und La-Tene-Zeit (ab ca. 500 v. Chr.) zugeordnet wird und einem wohl keltischen Volk erbaut und bewohnt und später dann von den Alemannen übernommen und ausgebaut wurde.
Die Ergebnisse der vor rund drei Jahrzehnten begonnenen topographischen Aufnahme und der anschließenden wissenschaftlichen sowie archäologischen Bearbeitung des Kügeleskopfes werden im Atlas archäologischer Geländedenkmäler in Baden-Württemberg (Band 2, Heft 20) einer interessierten und breiten Öffentlichkeit vorgestellt und zugänglich gemacht.16,80 EUR
Für die Zeit der Antike und der Völkerwanderung werden auf dem Bergsporn keltische, römische und alemannische Stützpunkte vermutet und teilweise auch nachgewiesen.
So dienten die spätantiken alemannischen
Höhensiedlungen auf dem etwas höher liegenden
Keugeleskopf und dem gegenüberliegenden Geiskopf bei Berghaupten wohl als
Wächter über den Zugang in den Schwarzwald hinein.
Hier führte seit 73 n. Chr. die römische Strasse von Argentoratum (Straßburg) nach Arae Flaviae (Rottweil) quer durch den silva nigra, den Schwarzwald und wahrscheinlich auch durch das spätere Ortenberg ("Steinefeld", "Untere/Obere Steine", "Heidengasse", "Alte Straße"?).
Römische Siedlungsspuren sind im Umkreis vielfach nachgewiesen (z.B. Gengenbach, Offenburg, Zunsweier, Rammersweier) und auch in Ortenberg wurden im Bereich unterhalb des Schlossbergs verschiedene Fragmente gefunden. Spekulation bleibt aber, ob auch die Burg selbst römischen Ursprungs ist, wie es vor allem im 19. Jahrhundert in der Fachwelt vermutet wurde. So war z. B. Dr. Joseph Bader hiervon überzeugt, da "die Substruktionen des Schlosses völlig römischer Natur sind".
In den untersuchten Höhenstationen gegenüber dem spätantiken Legionslager von Straßburg auf dem Geißkopf bei Berghaupten und dem Kügeleskopf bei Ortenberg wurde eine große Anzahl von Waffen und Werkzeugen gefunden. Das weist darauf hin, daß sich hier vor allem Krieger und Handwerker aufhielten. Im vorliegenden Werk wird das umfangreiche Fundmaterial aus der alamannischen Frühzeit vorgestellt und analysiert sowie ihrer Deutung im Vergleich zu weiteren Höhensiedlungen, besonders im Oberrheingebiet, nachgegangen.
Es wird angenommen, dass bereits um 600/650 n. Chr. in irgendeiner Form eine Siedlung namens Tatenwilre bestanden hat. Eindeutig wird der Ort aber erst 1148 bezeugt. Unbewiesen ist auch die Annahme, dass um das Jahr 700 das "wiedererbaute Kastell" einem fränkischen oder alemannischen Dynasten als Burg gedient haben soll. Es spricht Vieles dafür, hier die Grafenburg der Karolinger und Ottonenzeit von der aus die königliche Ortenau regiert wurde, zu vermuten.
Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass aus dem Namen "Ortenberg" und der Bezeichnung der im Jahr 763 als "dem Land zwischen Bleiche und Murg" erstmals erwähnten und damals dem Herzogtum Schwaben zugehörigen Gaugrafschaft "Mortenau", der Name "Ortenau" entstand.
Das Schicksal der Ortenberger Burg war in der Folgezeit natürlich prägend für die Geschichte des Dorfes. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts unterstand das Dorf der Autorität des jeweiligen Landvogtes als dem "Burgherrn", denn hier befand sich über viele Jahrhunderte der Verwaltungs- und Justizmittelpunkt der reichsunmittelbaren vorderösterreichischen Landvogtei Ortenau, bevor dieser nach Offenburg verlegt wurde und auch unser Landstrich 1806 badisch wurde.
Im 18. Jahrhundert wurden die Kanzlei- und Verwaltungsgebäude vollständig ins Dorf verlegt, wobei bereits seit dem späten Mittelalter auf dem „Kanzleihof-Areal“ herrschaftliche Anwesen mit wohl administrativer Funktion nachgewiesen werden konnten (2022).
Was aber verhalf der Burg Ortenberg zu dieser Bedeutung? „Ortenberg“ heißt soviel wie „vorderster Berg, Eckberg“. Von hier aus hatte man den Kinzigtaleingang im Auge und konnte feindliche Truppen frühzeitig erkennen. Das Kinzigtal war dicht besiedelt und wirtschaftlich interessant, nicht nur aufgrund seines Weinbaues, sondern auch speziell im 12. und 13. Jahrhundert wegen des Silberbergbaues. Die Abtei Gengenbach wurde durch die Burg sowohl beschützt als beherrscht. Die günstige Lage präsentierte die Burg weiter dazu, als „Zollburg“ zu fungieren. Neben dem Straßenzoll erhob man auch Wasserzoll von der Kinzigflößerei: Jedes Floß hatte einige Dielen zum Bau und Unterhalt der Burganlage abzugeben.
Die Ortenberger Burgfestung selbst, die Reichsburg Ortenberg wurde nachweislich erst im Jahr 1233 erstmals als dem Wohnsitz eines Ministerialbeamten - also nicht als Herrschafts- sondern als reiner Verwaltungssitz -erwähnt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass dieses Datum eher rein zufällig überliefert und die Burg wesentlich älter ist. Sie war wohl bis 1233 im Besitz der Zähringer, die damals Herren des Gaues und damit der Burg waren.
Nach dem Tode des letzten Zähringerherzogs, im Jahre 1218, wurde die Ortenau unter dem Stauferkönig Friedrich II, einem Enkel Kaiser Barbarossas, staufisches Königsland. Als er Mitte des Jahrhunderts vom Papst verbannt wurde, nutzte der Bischof von Straßburg die Chance und eroberte die Burg Ortenberg. Die beiden ersten Habsburger Könige erwarben sie jedoch zurück. Ortenberg war wieder Reichsburg und wurde Sitz des Landvogts.
Allerdings wurde die Burg aus finanziellen Gründen "verliehen": 200 Jahre lang behielten die Straßburger Bischöfe das „Pfand“ in der Hand, mussten es allerdings die letzten 100 Jahre – zunächst mit einem Pfalzgrafen, dann mit dem "wilden" Wilhelm von Fürstenberg – teilen.
1557 wird die Landvogtei Ortenau
Teil des habsburgerischen Vorderösterreich. Der Landvogt ist Stellvertreter des
Kaisers und leitet das Hochgericht, die Burg Ortenberg wurde Sitz der vier
Hauptgerichte der Landvogtei Ortenau. Traurige
Berühmtheit als dem „Ortenauer Hexenstuhl“
erlangte die Burg in den Jahren der Hexenverfolgung (1555-1630).
Im dreißigjährigen Krieg hatte die Burg keine strategische Bedeutung, die Zerstörung blieb ihr erspart. 1678 jedoch, am 13. Juli, wurde die Burg von französischen Truppen erobert und geschleift.
Noch bis um 1760 wurde sie aber teilweise noch zu hoheitlichen Zwecken, insbesondere als Verlies genutzt. Die Kanzleiräume waren zwischenzeitlich in Zivilgebäuden zu Füßen des Schlossberges untergebracht. Die ruinierte Burg verfiel daher weitgehend in einen Dornröschenschlaf.
Über Jahrhunderte hinweg kam Ortenberg die Bedeutung als dem Hauptort der damaligen Ortenau zu, bis auch Ortenberg wie die gesamte Ortenau im Jahr 1806 badisch wurde.
Wie oben bereits erwähnt entstand aus dem Namen "Ortenberg" und der Bezeichnung der im Jahr 763 als "dem Land zwischen Bleiche und Murg" erstmals erwähnten und damals dem Herzogtum Schwaben zugehörigen Gaugrafschaft "Mortenau", der Name "Ortenau".
Als dann im Jahr 1973 die Landkreise in Baden-Württmberg neu gebildet wurden, besann man sich dieser alten Bezeichnung. So trägt heute der flächengrößte Landkreis des Landes den Namen Ortenaukreis wodurch dieser seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts lediglich als Landschaftsbezeichnung fristende Begriff eine neue politische und rechtliche Bedeutung erlangte.
Was geschah aber mit dem alten Regierungssitz, der Burg Ortenberg?
Die ruinierte Burganlage gehörte zwischenzeitlich dem badischen Staat und wurde offiziell als "Steinbruch" genutzt. 1833 erwarb der livländischen Kaufmann und russische Staatsbürger Gabriel Leonhard von Berckholtz aus Riga das gesamte Areal und errichtete in den Jahren 1838 - 1843 das Schloss in der heutigen Form.
Heute ist
sie eine der schönsten und romantischsten Jugendherbergen Deutschlands. Ihre
Turmanlagen sind der Öffentlichkeit zugänglich. Gruppenführungen durch die
alten Gemäuer können gebucht werden.
Anselm Feuerbach, später einer der bedeutendsten deutschen Maler des 19. Jahrhunderts, schrieb 1842 schwärmerisch über Schloss Ortenberg: „… so großartig, so schön und prachtvoll stellte ich es mir nicht vor. Es liegt auf einer Anhöhe beim Dorf Ortenberg und hebt sich über alles hinaus. Die Lage ist schön, die Aussicht herrlich.“
Das war vor 200 Jahren - und daran hat sich bis heute nichts geändert!
Markus Vollmer